Ticino Tessin : Balerna
Castello di Pontegana (en français - en italien)


Von den vielen mittelalterlichen Burgen, die es einst im Mendrisiotta gab, sind die meisten verschwunden und nur noch als Orts- oder Flurnamen fassbar. So findet sich im Raum von Balerna auf einem langgestreckten Hügelsporn die Bezeichnung Caslaccio, was auf eine alte Befestigungsanlage hindeutet, doch sind nicht die geringsten Spuren von Mauern, Gräben oder Wällen mehr zu sehen, die als Überreste gedeutet werden könnten. Wir wissen aber, dass um 800 vornehme Herren langobardischer Herkunft in Balerna wohnten. Vielleicht hatten sie auf Caslaccio ihren Wohnsitz, einen befestigten Hof oder eine Häusergruppe inmitten eines grösseren Wehrbezirks.

Ansehnliche Trümmer einer mittelalterlichen Burg erheben sich südöstlich von Belerna auf dem Hügel von Pontegana, an dessen nördlichen Fuss die Autobahn von Lugano nach Chiasso vorbeizieht. Die Ruine steht auf dem nördlichsten Ausläufer des Hügels, am Rand eines jähen Geländeabsturzes. Auf der Südseite, von wo aus eine nur sanfte Steigung zum Burgareal führt, müssten Annäherungshindernisse in Form von Gräben oder Wällen erwartet werden, doch sind diese beim Bau der neuzeitlichen Häusergruppe südlich der Burg ausgeebnet worden. Im Zentrum der Burganlage ragte ein starker Viereckturm mit über zwei Meter dicken Mauern empor; heute ist nur noch eine Wand aufrecht. Die oberen Teile, aus nachlässig aufgeführtem Bruchsteinmauerwerk bestehend, sind erst nachträglich aufgesetzt worden, offenbar anlässlich eines Wiederaufbaus. Die unteren Teile des Turms sind aus lagerhaften, regelmässig gefügten Hausteinen errichtet. Einzelne, überdurchschnittlich grosse Granitblöcke erweisen sich bei näherem Zusehen als römische Sarkophage und Sarkophagdeckel. Offenbar hatte man beim Bau des Turms ein in der Nähe gelegenes Gräberfeld aus römischer Zeit geplündert, um gutes Baumaterial zu erhalten. Im aufgehenden Mauerwerk des Turms ist der horizontale Balkenkanal eines hölzernen Mauerankers zu erkennen. Mit der Einmauerung zusammengehängter Holzbalken, sogenannter Anker, sollte das Mauerwerk eine grössere statische Festigkeit erhalten. Da die Holzanker aber im Mauerkern meistens nach und nach verfaulten, bedeuteten diese vermeintlichen Armierungen eher eine Schwächung als eine Verstärkung der Mauer.

Teile der Turmmauer von Pontegana sind bis auf die Fundamente entzweigebrochen und aus ihrer ursprünglichen Lage gerutscht oder gekippt. Zudem ist das ganze Ruinengelände von losen, abgerissenen Mauerbrocken übersät, ein Befund, der höchstwahrscheinlich auf eine Zerstörung oder einen gewaltsamen Abbruch der Burganlage hindeutet. Das heute im Turminnern eingezogene, auf einen Mittelpfeiler abgestützte Gewölbe ist neuzeitlichen Ursprungs.

Um den Turm herum ziehen sich die Reste eines rechteckigen Berings. Stellenweise sind noch enge, schräg durch die Mauer geführte Schiessluken zu erkennen. Auf der Südseite ruht der Bering auf den Fundamenten einer älteren Ringmauer. Reste eines auf der Südseite vorgelagerten, äusseren Berings mit schräger Vormauerung und dem Ansatz eines Flankierungsturms haben sich in der rückwärtigen Wand des südlich an das Burgareal angrenzenden Hofgebäudes erhalten. Im westlichen Mauerabbruch ist noch der Anschlag eines Tors zu sehen. Vollständig verschwunden ist eine dem S. Ilario geweihte Kapelle, die sich nach einer Notiz von 1399 im Innern der Burg von Pontegana erhoben haben muss. Die Burgruine, heute stark von Gestrüpp überwuchert, ist nach ihrer Auflassung wiederholt von Schatzgräbern und Abbruchkommandos heimgesucht worden. Noch 1907 sollen Steine von der Burg zum Bau einer Strasse geholt worden sein. Eine Sicherung des Mauerwerks, verbunden mit einer archäologischen Untersuchung, wäre dringend erwünscht.

Die heutigen Baureste reichen höchstens bis ins späte 12. Jahrhundert zurück. Die älteren, schon im Frühmittelalter einsetzenden Nachrichten über Pontegana können demnach nicht auf den jetzigen Bau bezogen werden. Bereits um 800 ist eine Sippe von langobardischen Herren bezeugt, die zu Pontegana ansässig war. Um diese Zeit wird an der Stelle der nachmaligen Burg oder in deren Umgebung ein Herrschaftshof bestanden haben, der dieser Sippe als Behausung diente. Eine Adelsburg ist für diese Zeit ausgeschlossen. Ob die mit Regipert und Ragifrit um 800 urkundlich fassbare Sippe von Pontegana mit den späteren Rittern von Pontegana identisch ist, bleibt ungewiss, zumal als erster Besitzer der Burg nicht ein Angehöriger dieser Familie, sondern der Bischof von Como erscheint. Um 1124 wurde die Burg Pontegana, damals in bischöflicher Hand, von den Mailändern belagert und mit Hilfe eines bestochenen Verräters eingenommen. Wahrscheinlich erfolgte anschliessend eine Zerstörung der Burg, gefolgt von einem Wiederaufbau, auf den die älteren Teile des Hauptturms zurückgehen mögen. Die Familie ritterlichen Standes, die sich nach Pontegana nannte, ist urkundlich zwischen dem späten 12. und dem frühen 15. Jahrhundert fassbar. Verschiedene angehörige des Geschlechts waren geistlichen Standes, ein Herr Lafranchi von Pontegana sass um 1270 zu Castel S. Pietro. Die Burg Pontegana war bischöfliches Lehen. Dieses umfasste ausser der Burg selbst eine Reihe von Gehöften, die zu einer Gemeinde zusammengeschlossen waren. Die Landgüter waren an Pächter vergeben, von denen im 13. und 14. Jahrhundert eine ganze Anzahl urkundlich bezeugt ist. Wie lange die Burg bewohnt war, lässt sich aufgrund der schriftlichen Überlieferung nicht mit Sicherheit beantworten. Die erhaltenen Baureste sprechen für eine Bautätigkeit bis ins 14. Jahrhundert hinein. Um 1350 soll Bischof Bonifazio grössere Umbauten vorgenommen haben. Diese Nachricht würde die spätmittelalterlichen Schiessscharten erklären, die an der jüngeren Ringmauer angebracht  sind. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts scheint die Feste noch bewohnt worden zu sein. Ihren Untergang wird sie in den Wirren des 15. Jahrhunderts gefunden haben, die das Mendrisiotto heimsuchten. Die Burggüter aber wurden noch bis in die Neuzeit hinein bewirtschaftet.

Bibliographie

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Grynau

©Les châteaux suisses. Die Schweizer Schlösser. The Swiss Castles